Alle reden über das Metaverse, doch was ist das eigentlich? Wieviel davon ist Zukunftsmusik und was kann ich heute schon konkret machen? So viel steht fest: Virtual Reality und Mixed Reality eröffnen Marketing und PR großartige neue Möglichkeiten, die wir bereits an verschiedenen Stellen in unserem Blog vorgestellt haben (siehe auch immersives Marketing). Doch mit dem Metaverse zeichnet sich ein weiterer Trend am Tech-Himmel ab. Deshalb möchten wir euch hier einen Überblick über den aktuellen Status-Quo in Sachen Metaverse geben.

Metaverse

„Entschuldigung, wo geht’s denn bitte in dieses Metaverse?“ – wir zeigen euch den Weg!

Der Beginn des Metaverse-Hypes

Erinnert ihr euch noch an Second Life? Bereits 2003 gab es mit dem Online-Spiel erste Versuche, eine virtuelle Welt zu erschaffen. Dort konnte man sich nicht nur einen eigenen Charakter erstellen, sondern mit echtem Geld virtuelle Häuser, Fahrzeuge oder Modeartikel kaufen. Die Simulation war so ein großer Erfolg, dass Unternehmen virtuelle Läden eröffneten und Staaten sogar eigene virtuelle Botschaften einrichteten. Noch heute hat das Spiel eine treue Fangemeinde und gilt als früher Indikator für das enorme Potenzial der virtuellen Welt.
Der neuere Metaverse-Hype wurde spätestens durch Mark Zuckerberg befeuert. Im Herbst 2021 präsentierte er seine Vision des Metaverse und krönte die Keynote mit der Bekanntgabe, dass der Social-Media-Gigant in Zukunft ein „Metaverse“-Unternehmen werde und seinen Namen von „Facebook“ in Meta änderte. Das rief auch andere Unternehmen auf den Plan. So kündigte beispielsweise auch Microsoft-Chef Satya Nadella an, dass sein Konzern ein „Enterprise-Metaverse“ bauen möchte.
Seitdem gibt es gefühlt kein Halten mehr: Immer mehr Unternehmen investieren in virtuelle Produkte und neue Kompetenzen. Die amerikanische Investmentbank Morgan Stanley schätzt das mögliche Handelsvolumen für das Metaverse und damit verbundene Produkte und Dienste allein in den Vereinigten Staaten auf 8,3 Billionen Dollar. Eine Prognose von Gartner geht davon aus, dass bis 2026 etwa 25% der Menschen mindestens eine Stunde pro Tag im Metaverse verbringen werden, um dort einzukaufen, sich weiterzubilden oder Kontakte zu knüpfen.

Aber was ist denn nun das Metaverse?

Die Idee hinter dem Metaverse stammt nicht etwa aus dem Silicon Valley, sondern aus der Feder des Science-Fiction Autor Neal Stephenson. In dem 1992 erschienen Roman „Snow Crash“ skizzierte er das Metaversum als eine virtuelle Parallelwelt, die als Zufluchtsort vor einer Dystopie dient und an ein Multiplayer-Online-Game erinnert, jedoch ohne Spiel, ohne Highscore und ohne festgelegtes Ziel.

Die aktuelle Vision des Metaverse ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass es dezentral und immersiv ist – aber was bedeutet das?

Dezentralität im Metaverse

Erinnert ihr euch noch an das Web 1.0? Dieses beschreibt das Internet mit seinen statischen Webseiten in den späten 1990er-Jahren, welches sich nach und nach zum Web 2.0 entwickelt hat. Darin steht der Nutzer-generierte Content im Mittelpunkt, sowie Social Media Plattformen, auf denen es zu Netzwerken und Austausch kommt (siehe Die Phasen der Marketingkommunikation). Das Web 3.0 soll vor allem dezentral werden. Das heißt, die Navigation über große Plattformen soll dann der Vergangenheit angehören, statt dessen bewegen wir uns in Umgebungen, die den Nutzer:innen gehören. Ein bisschen ironisch, wenn man bedenkt, dass es aktuell vor allem die großen Plattformen sind, die massiv in Web 3.0 Technologien investieren.

Immersion im Metaverse

Kurz gesagt bedeutet Immersion, in den Inhalt eines Mediums einzutauchen. Spatial Computer schaffen dazu die idealen Voraussetzungen, indem die Inhalte dreidimensional und in Echtzeit in unser Sichtfeld integriert wird. Das Metaverse lässt sich also immersiv erleben, indem ich es mit einer VR-Brille oder einem AR-Headset betrete.

Die sieben Kernattribute des Metaverse

Auch wenn das Metaverse als schwer zu definieren gilt, gibt uns Unternehmer und Investor Matthew Ball in seinem 2020 veröffentlichten Essay „The Metaverse: What it is, where to find it, who will build it, and Fortnite“ sieben Kernattribute mit an die Hand, die dabei helfen, das Metaverse besser zu verstehen.

  • Das Metaverse kann niemals beendet oder pausiert werden. Es läuft immer weiter.
  • Es ist live. Zwar laufen im Metaverse, wie auch in der realen Welt, zeitlich begrenzte Events ab. Das Metaverse als Ganzes findet jedoch in Echtzeit statt.
  • Es gibt keine Obergrenze für die Teilnehmer:innen-Zahl.
  • Das Metaverse hat seine eigene Wirtschaft. Firmen und Individuen können investieren, kaufen, verkaufen und für Arbeit innerhalb des Metaverse bezahlt werden.
  • Das Metaverse umfasst die digitale Welt genauso wie die physische. Außerdem gibt es offene und geschlossene Plattformen innerhalb des Metaverse.
  • Digitale Objekte sind innerhalb des Metaverse austauschbar. Als Beispiel nennt er Objekte aus Videospielen, die heute nur in dem jeweiligen Game genutzt werden können. Im Metaverse gäbe es, so Ball, jedoch immer die Möglichkeit, diese Objekte auch in einem anderen Kontext zu verwenden.
  • Das Metaverse ist voll von Inhalten und „Erfahrungen“, die von Individuen, privaten Gruppen oder Unternehmen erstellt werden.

Kleiner Fun Fact dazu am Rande: Medienberichten zufolge wurde das Essay zur Pflichtlektüre bei Meta erklärt.

Fazit: Es existiert (noch) kein Metaverse

Der Blick auf die Vision und Kernattribute zeigen uns vor allem eins: Das Metaverse, wie wir es uns vorstellen, existiert aktuell noch gar nicht. Vielmehr gibt es eine fragmentierte Landschaft virtueller Welten, die wir uns im Folgenden einmal genauer anschauen wollen.

Der Status-Quo in Sachen Metaverse

Als ein erster Prototyp für das Metaverse können Spiele wie „Fortnite“ oder „Minecraft“ verstanden werden, die vor allem jüngere Generationen anziehen. Die Nutzer:innen verabreden und unterhalten sich, besuchen gemeinsam Events und geben Geld für Waffen oder Outfits aus und es zeichnet sich bereits ab, dass sich hier ein riesiger Markt eröffnet.

Horizon Worlds

Dem Meta-CEO Mark Zuckerberg zufolge werden sich die Menschen zukünftig zunehmend in virtuellen Räumen treffen. Laut Bloomberg hat der Konzern für einen solchen Raum allein im Jahr 2021 bereits zehn Milliarden Dollar ausgegeben. Umso härter traf wahrscheinlich der Spott, der in den letzten Wochen einem Screenshot aus „Horizon Worlds“ folgte.
Die Optik erinnert eher an die 2000er als an bahnbrechende neue Technologien und sowohl Medienvertreter als auch Twitter lassen kaum ein gutes Haar an dem Design.
Zur Verteidigung sollte man jedoch darauf hinweisen, dass große Metaverse-Umgebungen, in denen sich viele Menschen aufhalten sollen, aktuell umso besser funktionieren, je schlechter die Grafik ist. Das liegt unter anderem daran, dass eine 3D-Umgebung, in der viele Menschen in Echtzeit miteinander agieren können, enorm viel Rechenpower und Bandbreite benötigt.

Decentraland und The Sandbox

Auf ins Metaverse Decentraland!

Der Screenshot zeigt, wie es aktuell in Decentraland aussieht.

Eine weitere Plattform, die derzeit für viel Aufsehen sorgt, ist „Decentraland“. Auch wenn sie mit rund 300.000 monatlichen Nutzer:innen noch am Anfang steht, wollen viele Unternehmen mitspielen und sich ihren Teil sichern. Eines der teuersten Objekte in den letzten Monaten war ein Grundstück in der Nähe der „Fashion Steet“, welches für 570.000 Dollar gekauft wurde.

Die 3D-Welt „The Sandbox“ ist ähnlich aufgebaut und auch dort sichern sich Unternehmen für horrende Summen virtuelle Grundstücke, die sich im Zeitraum zwischen 2019 und 2022 auf 151.000 Verkäufe für mehr als 463 Mio. Dollar belaufen. Kurz gesagt greift hier bereits der Mechanismus der künstlichen Verknappung, denn in den virtuellen Welten gibt es nur eine begrenzte Anzahl an Gegenständen.

NFTs im Metaverse

Im selben Atemzug mit dem Metaverse fällt in der Regel der Begriff NFT, sodass sich hier ein kurzer Exkurs lohnt: NFT steht für Non-Fungible Token und beschreibt digitale Besitzzertifikate für virtuelle Objekte. Ein NFT bestätigt, dass niemand anderes im Metaverse über den gleichen Gegenstand verfügt, das Eigentum eines Objekts wird also bestätigt. Das ist vor allem in Hinblick auf dezentrale Welten wichtig, um Gegenstände plattformübergreifend mitnehmen zu können. Experten gehen davon aus, dass die virtuellen Welten auf dieser Technologie basieren werden

Die virtuellen Objekte werden in der Regel mit Kryptowährung bezahlt, im Endeffekt gibt man also reales Geld für virtuelle Statussymbole aus. Das können aktuell Grundstücke, Gemälde oder Kleidung sein.

So lässt sich das Metaverse für Marketing und PR nutzen

Es gibt noch gar kein Metaverse, trotzdem kommt man in Marketing & PR derzeit kaum an dem Begriff vorbei – wie kommt das? Zum einen nehmen viele Unternehmen den aktuellen Buzz mit und der Trend geht dahin, alle Projekte im Zusammenhang mit VR- und AR-Technologie als Metaverse zu betiteln. Zum anderen gibt es aber auch schon einige Marken, die erste Gehversuche auf den aktuellen Plattformen wagen.

Edelman hat einen ersten Anlauf gestartet, diese anhand der unterschiedlichen Reifegrade ihrer Interaktion zu kategorisieren und in die vier Evolutionsstufen Crawl, Walk, Run und Fly unterteilt:

Crawl: Bestehende Plattformen nutzen

Crawl beschreibt die Teilnahme an einer bestehenden Metaverse-Community, um so einen Mehrwert für ein bestehendes Projekt zu generieren.
Dies lässt sich mit einem Beispiel aus der Modewelt untermauern, die sich in Sachen Metaverse derzeit als sehr experimentierfreudig zeigt. Im März fand im Decentraland die erste Metaverse Fashion Week statt, wo Marken wie Philipp Plein oder Tommy Hilfiger ihre Kollektionen zeigten und begleitende digitale Events stattfanden. Die Fashionshow war mit einem Avatar frei zugänglich und die Beteiligung der Marken an diesem Event lässt sich in der ersten Evolutionsstufe einordnen.

Walk: Maßgeschneiderte Erlebnisse

Einen Schritt weiter geht die Österreichische Post, die mit dem „Crypto stamp HG“ eine digitale Filiale in Decentralland eröffnet hat, in der die Crypto Stamp 4.0 vorgestellt wird. Dort wird nicht nur die vierte Generation der digitalen Briefmarke vorgestellt, auch die vorherigen Ausgaben der Blockchain-Briefmarken lassen sich bewundern. Die Österreichische Post verfolgt mit der Kampagne den Gedanken, Grenzen zu überwinden und setzt neben herkömmlichen Marketingmaßnahmen im Web und auf Social Media auch auf virtuelle Out-of-Home-Placements auf Decentralland. Zusätzlich wird die Vorstellung von einem Gewinnspiel begleitet, welches als Schnitzeljagd durchs Metaverse führt und mit virtuellen Preisen wie Helmen und Outfits (sogenannten „Skins“) für die virtuellen Avatare winkt.

Run: NFT-Kollektionen und Marken-Events

Mit Joytopia hat BWM zur IAA 2021 ein eigenes Metaverse ins Leben gerufen, mit dem die Markenbotschaften des Unternehmens spielerisch an ein junges Publikum vermittelt werden sollten. Das Experiment war zunächst der Corona-Pandemie geschuldet, da sich BMW so ortsunabhängig einem internationalen Publikum präsentieren konnte. Die Streaming-Plattform sollte vor allem jungen Zielgruppen einen neuen Blick auf die Themen Elektromobilität, Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit vermitteln, garniert mit einem virtuellen Konzert der britischen Band Coldplay. Mit ihrem selbstgestalteten Avatar konnten sich die Nutzerinnen und Nutzer vor der virtuellen Bühne ebenso frei bewegen wie in den Themenwelten von BMW, dabei interagieren, neue Produkte erkunden, Selfies aufnehmen und in den sozialen Medien posten.
Laut eigenen Angaben lief das so erfolgreich, dass der Autobauer die virtuelle Metaverse-Welt auch im Anschluss weiterhin bespielte und zum Beispiel Schauplatz für die Weltpremiere des neuen BMW iX1 wurde.

Fly: Ein Metaverse Ökosystem

Als Vorreiter präsentiert sich Adidas Originals auf dem Metaverse-Parkett. Nicht nur, dass es eines der ersten Unternehmen waren, das ein eigenes Stück Land auf Sandbox kauften. Mit der Metaverse-Kampagne „Into the Metaverse“ als Kollaboration mit dem Bored Ape Yacht Club, gmoney und Punks! Comic Kreatoren schuf der Sportkleidungshersteller einen NFT, den man nicht als solchen besitzen kann, sondern der einem Zutritt zum Adidas-Markenuniversum verschafft. Die Halter des NFTs erhalten viermal im Jahr 2022 die Möglichkeit, exklusive Merchandiseartikel mit weiteren digitalen Nutzungsmöglichkeiten zu erhalten.
Wer jetzt denkt „Hä was?“, für den versuchen wir es einmal aufzudröseln: Der Bored Ape Yacht Club ist eine Sammlung von 10.000 Bored Ape NFTs auf der Ethereum-Blockchain, über die man Zugang zu einem exklusiven Club erhält. Adidas Originals hat einen solchen NFT-Ape (dt. Affen) gekauft und für ihn direkt ein passende Outfits entworfen, das er tragen kann. Der Adidas-Affe trägt den Namen Indigo Herz. Die Comic-Kreatoren Punks! erwecken NFTs zum Leben und haben Indigo Herz Abenteuer im Metaverse grafisch aufbereitet. Im Rahmen der „Into the Metaverse“-Kampagne kann neben den Outfits von Indigo Herz auch die orangene Mütze des NFT-Influencers Gmoney erworben werden, außerdem erhalten die Nutzer:innen Zutritt zum „Mysterious plot of land“ von Adidas auf Sandbox
Und wenn Sie jetzt immer noch denken „Hä, was?“ ist das vollkommen in Ordnung! :-)

Wie starte ich als Unternehmen im Metaverse?

Wenn Unternehmen nicht gerade das Ziel verfolgen, als absoluter Vorreiter in Sachen immersiver Medien voranzugehen, empfiehlt es sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht, in die Einrichtung einer dauerhaften Metaverse-Präsenz zu investieren. Nicht nur wegen den laufenden Wartungskosten, sondern auch, weil eine Metaverse-Community gepflegt werden will. Es empfiehlt sich vielmehr, die aktuelle Zeit dazu zu nutzen, zu testen, zu lernen, zu experimentieren und zu erforschen.
Nichtsdestotrotz sollte dabei stets ein Ziel verfolgt werden, welches oft auch als Orientierung dient, um zu schauen, ob das Metaverse überhaupt die richtige Lösung ist. Steht zum Beispiel weniger der Austausch mit einer Community im Vordergrund, sondern vielmehr die Vermittlung einer Botschaft, kann eine VR-Anwendung eine viel passendere Lösung sein. Auch der Blick auf die Zielgruppe sollte nicht außen vorgelassen und in Frage gestellt werden, wie und wo ich diese am besten erreiche. Last but not least ist auch der Budgetrahmen ein nicht zu vernachlässigender Punkt, hinzu kommt die technische Infrastruktur sowie die personellen Ressourcen.

Was wir von dem aktuellen Hype auf jeden Fall mitnehmen können, ist eine Entwicklung in den Content-Formaten. Von den bisherigen Online-Plattformen kennen wir ausschließlich zweidimensionale Elemente wie Bilder, Texte und Grafiken. Durch AR- und VR-Technologie rücken zunehmend 3D-Elemente in den Vordergrund. Dabei verschmelzen digitale und physische Realität immer enger miteinander und auch das Metaverse macht vor Influencern nicht halt, die dabei helfen, die eigene Botschaft in die breite Masse zu tragen.

Wir sind auf jeden Fall gespannt, wie sich das Thema in den nächsten Monaten und Jahren weiterentwickelt, denn bei aller Begeisterung ist nach wie vor Geduld gefragt, da wir in Sachen immersiver Medien nach wie vor noch am Anfang des Entwicklungsprozesses stehen. Denkt einfach daran, wie unsere Handys früher aussahen und welchen Weg sie zurückgelegt haben, um das intuitive Smartphone zu werden, das sie heute sind.