Mit der Mixed-Reality-Brille „Vision Pro“ möchte Apple des Zeitalter von Spatial Computing einläuten. In der WWDC-Keynote spricht das Unternehmen von einer Spatial-Computing-Revolution, doch was heißt  das eigentlich? Während der Personal Computer (PC) uns allen ein Begriff ist, sind uns Spatial Computer noch längst nicht geläufig. In unserem Blog möchten wir euch deshalb durch den Begriffsdschungel rund um immersive Medien und neue Technologien führen!

spatial-computing-apple-vision-pro

Die Apple Vision Pro ist am 02.02.2024 in den USA erschienen: Bricht jetzt das Zeitalter von Spatial Computing an? (Bildquelle: Apple)

Was ist Spatial Computing?

Spatial Computing bezieht sich auf die Nutzung digitaler Medien, um die Interaktion zwischen Menschen und computergesteuerten Inhalten in einem räumlichen Kontext zu ermöglichen. Es kombiniert Elemente von Virtual Reality? (VR), Augmented Reality (AR) und Mixed Reality (MR), um eine immersive und interaktive Erfahrung zu schaffen.

In der Vision von Apple folgt der Spatial Computer auf den Personal Computer (PC), mit dem derzeit der Großteil der Menschen Ihren Arbeitsalltag gestalten. Während der PC über traditionelle Eingabegeräte wie Tastatur, Maus oder Touchscreen bedient wird, ermöglicht der Spatial Computer die Interaktion über Gesten, Sprache und Blicksteuerung. Dabei werden die Inhalte im dreidimensionalen Raum nahtlos in das Sichtfeld des Nutzers integriert (bspw über eine VR-Brille),  im Gegensatz zum PC, der  Inhalte zweidimensional über den Bildschirm anzeigt.

Unsere Inhalt auf dem PC haben in der Regel keinen direkten Raumbezug und arbeiten losgelöst von der realen Umgebung. Der Spatial Computer hingegen hat die Fähigkeit, Informationen über die räumliche Umgebung des Benutzers wahrzunehmen und zu nutzen. Dies ermöglicht die Einblendung von digitalen Inhalten in die reale Welt und die Interaktion mit der Umgebung. Die von Apple vorgestellte AR-Brille Vision Pro liefert hierfür ein perfektes Beispiel: Nachdem der Nutzer das Headset aufgesetzt hat, sieht er zwar noch seinen realen Raum, in dem virtuell ein Homescreen eingeblendet wird, auf dem Apps ausgewählt werden können- ganz so, wie wir es vom iPhone oder iPad gewohnt sind. Wird eine App geöffnet, erscheint ein schwebendes Fenster, das frei im Raum platziert, in der Größe angepasst oder sogar gestapelt werden kann. Mit Apple Music, dem Safari Web-Browser und Freeform bietet Vision Pro schon zum Launch eine Reihe nützlicher Apps.

Spatial Computing einfach erklärt

Spatial Computing bezieht sich also auf eine Technologie, die es Computern ermöglicht, die reale Welt um uns herum wahrzunehmen und mit ihr zu interagieren. Es kombiniert virtuelle Elemente mit unserer physischen Umgebung, um uns ein erweitertes, interaktives Erlebnis zu bieten. Aber was heißt das konkret und in einfachen Worten? Lassen Sie uns der Frage „Was ist Spatial Computing“ einmal kindgerecht auf den Grund gehen mit dem Versuch, es einem fünfjährigen zu erklären:

„Stell dir vor, du schaust dir ein Buch an und möchtest wissen, wie ein bestimmtes Tier aussieht. Mit Spatial Computing könntest du ein Gerät wie ein Tablet oder eine Brille verwenden, um das Buch zu scannen. Der Computer erkennt dann das Bild des Tieres und zeigt es dir auf dem Bildschirm in 3D an. Du könntest das Tier von allen Seiten betrachten, es vergrößern und vielleicht sogar hören, wie es sich anhört. Das ist Spatial Computing!

Eine andere Möglichkeit, Spatial Computing zu nutzen, ist zum Beispiel in einem Spiel: „Stell dir vor, du spielst ein Spiel auf deinem Tablet oder einer anderen Plattform und es verwendet Spatial Computing. Du könntest das Spiel auf dem Boden spielen und der Computer würde deine Bewegungen verfolgen. Wenn du dich bewegst, bewegt sich dein Charakter im Spiel auch. Es fühlt sich an, als ob das Spiel in deiner realen Umgebung stattfindet und du direkt daran teilnimmst.

Spatial Computing kann auch verwendet werden, um interaktive Lern- oder Trainingsanwendungen zu erstellen. Zum Beispiel könntest du eine App verwenden, um über den Weltraum zu lernen. Du könntest dich umdrehen und die Planeten in 3D sehen, die Sterne untersuchen oder sogar eine virtuelle Reise durch das Sonnensystem machen.“

Für einen Fünfjährigen kann Spatial Computing eine aufregende Möglichkeit sein, die Welt um sich herum zu erkunden und neue Dinge zu lernen. An der Stelle aber sicherheitshalber ein kleiner Disclaimer: Spatial Computing erfordert in der Regel spezielle Geräte, sodass die Nutzung immer unter Aufsicht eines Erwachsenen oder eines älteren Geschwisterkindes erfolgen sollte, um sicherzustellen, dass es sicher und angemessen verwendet wird.

Was ist das besondere am Spatial Computer?

Spatial Computer haben das Potenzial, unser Mediennutzungsverhalten nachhaltig zu verändern. Der Schlüssel dafür ist die Immersion. Während ein PC lediglich eine begrenzte Immersion bietet, da der Benutzer wie durch ein Fenster auf die Inhalte blickt, schafft der Spatial Computer es, diese Distanz zu überwinden und reale und digitale Welt miteinander verschmelzen zu lassen. Dies eröffnet völlig neue Möglichkeiten für Spiele, Simulationen, Schulungen und andere Anwendungen, bei denen Benutzer tief in die Erfahrung eintauchen können. Hier kommt auch das Metaverse ins Spiel, denn ein Spatial Computer bietet den idealen Zugang, indem wir so in der virtuellen Umgebung zusammenkommen, als wären wir tatsächlich physisch anwesend.

Aber auch die Erweiterung der Realität um digitale Informationen in Echtzeit kann unser Nutzungsverhalten revolutionieren: User können beispielsweise nützliche Daten, Anweisungen oder Hinweise direkt in ihrem Sichtfeld sehen, während sie eine Aufgabe ausführen. Dies kann die Effizienz steigern, Fehler reduzieren und den Informationsfluss verbessern. Durch maschinelles Lernen und kontextbezogene Informationen können Anwendungen und Geräte besser verstehen, was der Benutzer benötigt, und maßgeschneiderte Inhalte bereitstellen.

Welche Spatial Computer gibt es heute schon?

Spatial Computing ist bereits heute verfügbar, auch wenn wir sie meist unter anderem Namen kennen. Beispiele gefällig?

  • Virtual Reality (VR): VR-Brillen wie Oculus Rift, HTC Vive und PlayStation VR bieten immersive virtuelle Erfahrungen, bei denen Benutzer in eine komplett virtuelle Umgebung eintauchen können. (Beispiele für VR-Marketing)
  • Augmented Reality (AR): AR-Technologien wie Microsoft HoloLens, Magic Leap und verschiedene AR-Apps für Smartphones ermöglichen es Benutzern, digitale Inhalte in ihrer realen Umgebung zu sehen und mit ihnen zu interagieren. (Beispiele für AR-Marketing)
  • Mixed Reality (MR): Mixed-Reality-Brillen wie die Microsoft HoloLens vereinen virtuelle und reale Elemente, indem sie digitale Inhalte in die reale Umgebung einblenden und gleichzeitig die Interaktion mit der realen Welt ermöglichen.
  • Spatial-Computing-Plattformen: Unternehmen wie Unity und Unreal Engine bieten Entwicklern Tools und Plattformen zur Erstellung von Spatial-Computing-Anwendungen. Diese Plattformen ermöglichen die Entwicklung von VR-, AR- und MR-Erfahrungen und bieten Entwicklern eine Grundlage für die Erstellung von räumlichen Anwendungen.

Wie wird Spatial Computing unsere Arbeitswelt verändern?

Wir haben es schon an der ein oder anderen Stelle durchklingen lassen: Spatial Computing hat das Potenzial, unsere Arbeitswelt in vielerlei Hinsicht zu verändern. Was das konkret heißt, möchten wir anhand von verschiedenen Anwendungszenarien vorstellen:

Kollaboration und Kommunikation

Spatial Computing ermöglicht es den Mitarbeitern, unabhängig von ihrem Standort zusammenzuarbeiten. Durch VR- oder AR-Brillen können Teams in virtuellen Räumen zusammenkommen, um Ideen auszutauschen, Projekte zu planen und gemeinsam an Aufgaben zu arbeiten (siehe auch „Virtuelle Events„). Dies könnte insbesondere für globale Unternehmen von Vorteil sein, bei denen Mitarbeiter über verschiedene Standorte hinweg verteilt sind.

Remote-Arbeit

Mit Spatial Computing könnten Mitarbeiter von überall aus arbeiten, ohne physisch anwesend zu sein. Durch die Nutzung von VR- oder AR-Technologie können sie virtuelle Büros oder Besprechungsräume betreten und mit Kollegen interagieren, als wären sie persönlich vor Ort. Dies könnte die Flexibilität erhöhen und die Notwendigkeit von teuren Geschäftsreisen reduzieren.

Schulungen und Weiterbildung

Spatial Computing bietet neue Möglichkeiten für Schulungen und Weiterbildungsprogramme. Durch die Simulation von realen Szenarien können Mitarbeiter in einer sicheren Umgebung praktische Erfahrungen sammeln und neue Fähigkeiten erlernen. Dies könnte insbesondere in Bereichen wie Medizin, Maschinenbau oder gefährlichen Arbeitsumgebungen von Vorteil sein und wir empfehlen für einen Deep Dive ins Thema unseren Beitrag „Besser lernen mit VR

Datenvisualisierung und Analyse

Mit Spatial Computing können große Datenmengen visualisiert und analysiert werden. Durch die Verbindung von Daten mit virtuellen 3D-Modellen können komplexe Informationen leichter verstanden und Zusammenhänge schneller erkannt werden. Dies könnte die Entscheidungsfindung in verschiedenen Branchen verbessern, z.B. im Bereich der Finanzen, des Marketings oder der Logistik.

Erweiterte Realität im Kundenservice

Unternehmen können Spatial Computing nutzen, um ihren Kundenservice zu verbessern. Durch die Integration von AR in Support-Tools können Techniker vor Ort virtuelle Anleitungen erhalten, um Probleme zu beheben. Kunden können ebenfalls von AR-gestützten Anleitungen oder virtuellen Produktdemonstrationen profitieren, um eine bessere Nutzung und Fehlerbehebung zu ermöglichen.

Wie lange dauert es noch, bis sich Mixed-Reality-Brillen durchsetzen?

Nun wird es Zeit, einen Blick in die Glaskugel zu werfen… Das ist leider gar nicht so einfach, denn die Durchsetzung von Mixed-Reality-Brillen hängt von verschiedenen Faktoren ab und es ist schwierig, eine genaue Zeitangabe zu machen. Die technologische Weiterentwicklung von Mixed-Reality-Brillen spielt hierbei auf jeden Fall eine entscheidende Rolle. Wie wir bereits in unserem Beitrag „Wo bleibt der VR-Boom?“ schrieben, müssen MR-Brillen leichter, komfortabler und leistungsfähiger werden, um breite Akzeptanz zu finden. Fortschritte bei der Auflösung, dem Sichtfeld, der Tracking-Genauigkeit und der Akkulaufzeit sind erforderlich, um ein hochwertiges und immersives Erlebnis zu bieten.

Um einen hohen Komfort zu bieten, müssen Mixed-Reality-Brillen benutzerfreundlich sein, das heißt die Einrichtung und Kalibrierung der Brillen sollte einfach und intuitiv sein, und sie sollten bequem über längere Zeiträume getragen werden können. Je einfacher und zugänglicher die Nutzung ist, desto größer ist die Chance auf eine breitere Akzeptanz.

Der Erfolg von Mixed-Reality-Brillen hängt aber auch stark von der Verfügbarkeit hochwertiger Inhalte und Anwendungen ab. Entwickler müssen attraktive und nützliche Anwendungen schaffen, die den Mehrwert und die Möglichkeiten von Mixed Reality deutlich machen. Eine wachsende Anzahl von Inhalten, von Spielen über produktive Anwendungen bis hin zu Schulungsmaterialien, ist entscheidend, um das Interesse der Nutzer zu wecken. Dabei ist die Zusammenarbeit zwischen Hardware-Herstellern, Software-Entwicklern, Content-Creators und anderen Akteuren wichtig, um ein starkes Mixed-Reality-Ökosystem aufzubauen.

Last but not least wären da noch die Kosten. Wie die Apple Vision Pro, die zu einem Verkaufspreis von 3.500 USD angekündigt wurde, zeigt, ist der Preis für Mixed-Reality-Brillen derzeit noch relativ hoch. Eine Preissenkung und eine größere Verfügbarkeit zu erschwinglichen Preisen sind entscheidend, um die Akzeptanz und Verbreitung zu fördern.

Angesichts dieser Faktoren ist es schwer, eine genaue Zeitangabe zu machen. Worin wir uns aber sicher sind: Spatial Computer wie VR-, AR- und MR-Brillen werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren weiter an Bedeutung gewinnen und sich verbreiten. Der genaue Zeitrahmen hängt jedoch von der Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung, der Akzeptanz der Verbraucher und der Bereitstellung überzeugender Inhalte und Anwendungen ab.

Und dann? Werden wir irgendwann alle nur noch in einer virtuellen Welt leben?

Beruhigen Sie sich, ganz so wild wird es nicht: es ist unwahrscheinlich, dass wir irgendwann ausschließlich in einer virtuellen Welt leben werden. Obwohl Virtual Reality (VR) und andere immersive Technologien weiterhin Fortschritte machen, gibt es Aspekte der realen Welt, die für uns als Menschen von grundlegender Bedeutung sind und die nicht durch virtuelle Erfahrungen ersetzt werden können. Die reale Welt bietet uns eine Vielzahl von Erfahrungen, die durch physische Interaktionen, zwischenmenschliche Beziehungen und das Erleben der natürlichen Umgebung geprägt sind. Diese Erfahrungen sind Teil unserer menschlichen Natur und spielen eine wichtige Rolle für unsere Entwicklung, Gesundheit und unser Wohlbefinden.

Es ist jedoch gut möglich, dass virtuelle Welten und die reale Welt immer stärker miteinander verschmelzen und sich ergänzen. Dabei gibt es jedoch einige rechtliche und ethische Fragen, denen wir uns frühzeitig stellen sollten um das Leben und Arbeiten in und mit virtuellen Welten nicht zu einer Dystopie werden zu lassen.

Welche ethischen und rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es in Hinblick auf Spatial Computing zu berücksichtigen?

Das Internet hat uns eindrücklich gezeigt, dass neue Technologien unsere Gesellschaft vor verschiedene Herausforderungen stellt. Mit der steigenden Verbreitung von VR- und AR-Technologie ergeben sich eine Reihe rechtlicher und ethischer Fragestellungen, auf die wir lieber heute als morgen Antworten finden sollte, um die Rechte, Privatsphäre und Sicherheit der Benutz zu schützen und positive Auswirkungen auf die Gesellschaft zu fördern.

  • Datenschutz: Bei der Nutzung von Spatial Computern können umfangreiche Daten über Benutzer und deren Verhalten erfasst werden, einschließlich Blickverfolgung, Bewegungsmuster und biometrischer Daten. Der Schutz dieser Daten und die Einhaltung der Datenschutzgesetze sind von entscheidender Bedeutung, um die Privatsphäre der Benutzer zu wahren.
  • Inhaltliche Verantwortung: Spatial Computing ermöglicht immersive Erfahrungen, bei denen Benutzer in virtuelle Welten eintauchen können. Die Verantwortung für den Inhalt und seine potenziellen Auswirkungen auf die Benutzer liegt bei den Entwicklern und Anbietern von immersiven Inhalten. Es sollten ethische Richtlinien und Standards entwickelt werden, um sicherzustellen, dass Inhalte nicht schädlich, diskriminierend oder missbräuchlich sind.
  • Cybersicherheit: VR- und AR-Systeme sind mit dem Internet verbunden, was potenzielle Sicherheitsrisiken mit sich bringt. Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die Sicherheit derSysteme und die Vertraulichkeit der Daten zu gewährleisten, um Missbrauch, Hacking und Identitätsdiebstahl zu verhindern.
  • Gesundheitliche Auswirkungen: Bei der Nutzung von Spatial Computern können gesundheitliche Auswirkungen wie Motion Sickness, Augenbelastung und Desorientierung auftreten. Es ist wichtig, Benutzer über potenzielle Risiken aufzuklären und Richtlinien zur sicheren Nutzung von VR-Systemen bereitzustellen.
  • Ethik in der virtuellen Umgebung: In virtuellen Umgebungen können soziale Normen und ethische Standards herausgefordert werden. Es ist wichtig, ethische Richtlinien für die Interaktion und das Verhalten in der virtuellen Umgebung zu entwickeln, um Belästigung, Diskriminierung und Missbrauch zu vermeiden.
  • Auswirkungen auf die reale Welt: Mixed Reality kann Auswirkungen auf die reale Welt haben, indem es die Art und Weise, wie Menschen arbeiten, kommunizieren und interagieren, verändert. Dies kann soziale, wirtschaftliche und kulturelle Auswirkungen haben, die berücksichtigt werden sollten.
  • Barrierefreiheit: MR-Systeme sollten für Menschen mit Behinderungen zugänglich sein. Es ist wichtig sicherzustellen, dass Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten die gleichen Möglichkeiten haben, Mixed Reality zu nutzen und davon zu profitieren (siehe dazu auch Barrierefreiheit in und mit Virtual Reality).