Neue Technologien wie Virtual Reality und 360°-Medien spielen in Museum eine zunehmend größere Rolle. Jedenfalls drängt sich diese Schlussfolgerung auf, wenn man so betrachtet, wie das Themenangebot rum um die immersiven Medien in den letzten Jahren zugenommen haben: Das reicht vom internationalen Kulturangebot von Google Arts & Culture, über lokale Projekte wie zum Beispiel die „Speicherstadt Digital“ bis hin zu eigenen Virtual Reality & Arts Festivals wie das VRHAM! in Hamburg.

Virtual Reality im Museum

Virtual Reality erhält in immer mehr Museen Einzug: Hier zum Beispiel beim Frankfurter Kunstverein in der Ausstellung „Perception is reality“

VR vs 360°-Content: Welche Technologie für welche Herausforderung?

Um zunächst kurz einmal hinsichtlich der Begrifflichkeiten für Klarheit zu sorgen, sollten wir am besten zwischen Virtual Reality und 360°-Content unterscheiden. Denn während Virtual Reality seinen Einsatz vermehrt in Museen findet, um das Angebot vor Ort durch virtuelle Exponate zu ergänzen, hilft uns 360°-Content vor allem dann, wenn das reale Angebot vor Ort in die digitale Welt nach draußen gebracht werden soll.

Virtual Reality im Museum

Um das zu verdeutlichen lohnt sich ein kurzer Blick in die Definition der beiden Medienformen: Virtual Reality kommt ursprünglich aus der Computergrafik und bezeichnet eine 3D-generierte Welt, die sich mit geeigneten Hilfsmitteln interaktiv erleben lässt. Im besten Fall reagiert die Welt interaktiv und in Echtzeit auf die Eingabe des Nutzers. Wir tauchen also mit einer VR-Brille in eine programmierte Welt ein und können beispielsweise virtuell ein Rätsel lösen (oder auch nicht, wenn wir uns zu blöd anstellen… )

360°-Content im Museum

360°-Technologie hat seinen Ursprung hingegen in der Film- und Videotechnik. Statt 16:9 heißt das Format hierbei jedoch Kugelpanorama, das könnt ihr euch so vorstellen, als würdet ihr in der Mitte einer Kugel stehen (siehe auch Die Evolution des Bild-Contents). Die gesamte Innenfläche dieser Kugel ist unsere Leinwand, auf der wir uns frei umschauen können. Um ein Kugelpanorama zu erschaffen müssen wir also gleichzeitig in alle Richtungen aufnehmen und der Blickwinkel wird nicht mehr vom Produzenten festgelegt, sondern der Zuschauer kann selbst entscheiden, wo er gerade umschauen möchten. Mit 360°-Kameras erschaffen wir keine neue virtuelle Welt, sondern nehmen den Ist-Zustand auf (Reality Capture).
Die Aufnahmen können wir anschließend ebenfalls mit der VR-Brille anschauen, weshalb 360°-Inhalte auch so häufig der Virtual Reality zugeordnet werden. Im Gegensatz zur VR-Anwendung ist die Interaktion jedoch in der Regel beschränkter. Das hat Vor- und Nachteile: Ein 360°-Video verläuft in der Regel linear und wir können keinen Einfluss auf die Handlung vornehmen, unsere Interaktion beschränkt sich auf das freie Umschauen im Bild. In einer VR-Anwendung können wir hingegen aktiv an der Geschichte teilnehmen und die Handlung gegebenenfalls beeinflussen. Das 360°-Video wirkt dadurch in der Regel meist weniger immersiv, da wir in der Zuschauer-Rolle verbleiben, dafür benötigen wir zum Abrufen kein High-End VR-Equipment sondern können auch kostengünstige VR-Headsets einsetzen und vorallem lassen sich die Inhalte auch in Websites oder in Social Media einbetten (siehe auch 360-Grad-Fotos in Social Media nutzen)

Wie lassen sich virtuelle Einblicke in Museen & Ausstellungen einsetzen?

Mit 360°-Technologie lassen sich Orte und Geschichten nahezu vollständig digitalisieren und realitätsgetreu vermitteln. Diese Fähigkeit lässt sich grob gesagt auf zwei Anwendungsbereiche herunterbrechen:

Erweiterung des Informationsangebot vor Ort

Wenn es darum geht, mit VR-Brillen Inhalte im Museum virtuell erlebbar zu machen, haben 360°-Videos immer dann den größeren Mehrwert, wenn ein möglichst realitätsgetreuer Eindruck vermittelt werden soll. Das geht natürlich nicht, wenn wir in einem historischen Museum zum Bau der Pyramiden zurückreisen wollen, es kann jedoch dann interessant werden, wenn eine neu entdeckte Ausgrabungsstätte im heutigen Ägypten präsentiert werden soll. Vor allem bieten sich das 360°-Format an, wenn es darum geht, echte Menschen virtuell zu treffen. Beispielsweise kann uns so ein Archäologe mit zur Ausgrabungsstätte nehmen und mehr über seine Arbeit berichten. In der Regel steht dabei eher die Geschichte im Vordergrund und weniger der Zuschauer, der in einer interaktiven VR-Anwendung im Gegensatz dazu zum Beispiel selbst graben könnte.

Ausstellungen digitalisieren und online zur Verfügung stellen

Museum in VR

Mit 360°- und 3D-Technologie lassen sich Museen in die virtuelle Welt transformieren.

Die realitätsgetreuen 360°-Einblicke können wir uns jedoch auch an anderen Stellen zu nutzen machen, um das Angebot vor Ort in die virtuelle Welt zu holen (siehe dafür auch unseren Beitrag zum Virtuellen Museumsrundgang)

  • Dies bietet sich zum Beispiel an, um temporäre Ausstellungen zu erhalten. Ein schönes Beispiel bietet hier unsere Zusammenarbeit mit der HFBK Hamburg. Zur Jahres- und Absolventenausstellungen stellen Studierende ihre Werke aus dem vorangegangenen Semester aus und Interessierte können die Ausstellung besuchen. Doch eigentlich ist es ziemlich schade, dass die Arbeiten bereits nach wenigen Tagen wieder abgebaut werden müssen und der Zugang zeitlich stark befristet ist. Um die Ausstellung auch weiterhin zu erhalten, haben wir sie mit 360°-Videos digitalisiert, sodass sie nun über die Website der Hochschule weiterhin zugänglich ist (Mehr zum Projekt: Kunst digitalisieren: Die HFBK Jahresausstellung)
  • Aber auch dem Museums-Marketing kann ein virtueller Rundgang dienen, um das Angebot vor Ort erlebbar zu machen und Interessierte mit einem authentischen Rundumblick zu begeistern. Das Planetarium Hamburg öffnet auf diesem Wege den digitalen Besuchern Tür und Tor und schafft so online einen spielerischen Zugang zum Angebot vor Ort und macht einen Zugang zur Touristenattraktion weit über die Stadtgrenzen unserer Hansestadt hinaus möglich.
  • Eine dritte Einsatzmöglichkeit führt uns an Orte, die nicht oder nur schwer zugänglich sind. Das können Denkmäler oder Lost Places sein, die nicht auf größere Besuchergruppen ausgelegt sind oder die für Renovierungsarbeiten über einen längeren Zeitraum geschlossen werden müssen. Das folgende Beispiel führt in den Wasserkessel des Hamburger Planetariums in Hamburg, der normalerweise nicht für die Öffentlichkeit freigegeben ist und hier findet ihr noch mehr VR-Touren für den Blick hinter die Kulissen.

Virtual Reality im Museum: Make or Buy?

Wie bei der Produktion von so ziemlich jedem Medienformaten stehen Kultureinrichtungen auch bei 360°- und VR-Inhalten vor der Make- or Buy Entscheidung. Wenn es darum geht, Orte einmalig zu digitalisieren lohnt es sich in der Regel selten, das passende Equipment zu beschaffen und sich in die Postproduktions-Software hineinzufuchsen. Für solche Fälle empfiehlt sich meist die Zusammenarbeit mit einer Produktionsagentur, die sich auf das 360°-Formate spezialisiert hat und dadurch nicht nur das passende Equipment parat hat, sondern auch in der Konzeption als wertvoller Sparring-Partner zur Seite steht. Je aufwendiger die geplante Produktion, umso eher lohnt es sich in der Regel auf externe Unterstützung zu setzen.

Da sich Technologie aber bekanntermaßen schnell weiterentwickelt, hat sich in den letzten Jahren einiges im Bereich der 360°-Kameras getan. Während anfangs Consumer-Modelle wie die Samsung Gear 360 mit eher bescheidener Aufnahmequalität häufig für Frust gesorgt hat, gibt es mittlerweile einige Lichtblicke: Geräte wie die GoPro MAX (Preis: ca. 530 €) oder die Insta360 X3 (Preis: ca. 540 €) überzeugen mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis und sind vor allem relativ einfach in der Handhabung, sodass sich 360°-Einblicke immer leichter produzieren und teilen lassen (mehr zum Thema 360°-Videos erstellen). Vorallem in den Social-Media-Kanälen des Museums können diese ungewohnten Perspektiven punkten.

Wie so oft lautet die Antwort auf die Make-or-Buy frage also: Es kommt ganz drauf an!